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Geheimnisvolle Farbwelten - Malerei von Jörn Kadow im Elisabeth-Anna-Palais.

Geheimnisvolle Farbwelten

Malerei von Jörn Kadow im Elisabeth-Anna-Palais

Oldenburg. Das Sozialgericht Oldenburg und die Arbeitsgemeinschaft Kunst in der Oldenburgischen Landschaft zeigen im Elisabeth-Anna-Palais (Sozialgericht), Schloßwall 16, 26122 Oldenburg Bilder von Jörn Kadow. Ausstellungseröffnung ist Dienstag, den 28. Juni, um 17 Uhr. Die Ausstellung dauert bis 21. September. Sie ist montags bis donnerstags 9 bis 15 Uhr und freitags von 9 bis 12 Uhr zugänglich. Der Eintritt ist frei.

Der gebürtige Oldenburger Jörn Kadow hat in Kassel Industrial Design und Betriebswirtschaft studiert. Danach arbeitete er als Lehrer und Kunstlehrer in Emden. Seit der Pensionierung arbeitet er künstlerisch. Experimentierfreudig malt er abstrakt auf Leinwand und synthetischen Geweben und lässt den Farben ihren freien Lauf. Sie durchdringen sowohl einander als auch die Bildgründe. Die sich dabei ergebende ungewöhnlich dichte Farbigkeit verleiht Kadows Bildern einen einzigartigen geheimnisvollen Charakter.

Galleriebild   Bildrechte: Jörn Kadow

Jörn Kadow Heitere Sphären zwischen den Welten

Jörn Kadow überrascht uns mehrfach: Am auffälligsten und zuerst mit der Größe seiner Bilder. Dafür wendet er unterschiedliche Methoden an – einmal geht er in der Größe bis zur Tragfähigkeit seiner Werke – einige lassen sich bereits leichter zu zweit tragen als von einer Person; auch der Beweglichkeit im Umgang mit den großen Werken sind Grenzen gesetzt.

Die andere Methode ist zum Markenzeichen des Künstler Jörn Kadow geworden, das ist die Zusammensetzung zu einem fünfteiligen Werk. solche Werke finden sie mehrfach in dieser Ausstellung: Die Mehrteiligkeit erlaubt größere Farbsprünge zwischen den Teilen, sogar Kontraste, die wir im einteiligen großen Bild seltener finden, in kleinen Bildern schon mal – da ist der Zusammenprall zweier kontrastierender Farben auf kleinem Raum beschränkt und darum erträglich.

Wir merken in der Halle, welche Ausstrahlung die großen Bilder haben. Sie machen der Hallen-Architektur Konkurrenz und ziehen den weiten Raum zusammen. Die scheinbare Verengung wirkt aber nicht unangenehm, wenn auch herausfordernd, sie zwingt die Betrachtenden zum aufmerksamen Anschauen der Bilder an der Wand. Denn die Gemälde verlangen einen tiefen Einblick in ihre Farbigkeit, in die Verteilung der Farben, auf die sich allmählich ergebenden festen Punkte innerhalb einer Komposition und von diesen ausgehend auf korrespondierende und nicht seltener konkurriende Bildpartien.

Das muss an Beispielen ausgeführt werden: Nehmen wir das Bild Nr. 41 mit dem Titel “Mal so, mal so – partiell opal”. Ein typischer, in Teilen mehrfach wiederholter Titel. Das erste “Mal so – mal so” lässt Deutungen offen, meint hier aber vorzugsweise die unterschiedlichen, sich farblich wiederholenden Teile des großen Bildkomplexes, wobei den Betrachtenden überlassen bleibt, wie sie die fünf Teile sehen können und wollen. An der Fügung bleiben wir hängen: “Partiell opal” meint wohl teilweise die Farbigkeit und das Licht, was an einen Opal erinnert. Dazu ein Satz von Plinius dem Älteren: „Ihm ist ein Feuer eigen, feiner des im Carbunculus, er besitzt den purpurnen Funken des Amethystes und das Seegrün des Smaragdes und überhaupt eine unglaubliche Mischung des Lichts”. Dieser Hinweis gibt dem Gruppenbild eine Richtung vor: Von links nach rechts, von der größten rosa-grauen Fläche über die überraschenden hellblauen Zwischenteile, die wohl eine Art atmosphärischer Gegenstücke wie Himmel oder Wasser gegenüber Erde sein können, schließlich zu dem letzten Teil mit seinem Licht und den dazu konkurrierenden dunklen Brocken, die an den Stein erinnern, der vom Opal umfasst wird. Jörn Kadow lässt sich nicht darauf ein, sich festzulegen – wie der Titel verheißt: “Mal so, mal so” – wir sind frei in unserer Deutung. Die Bildergruppe ist auch ein Beispiel, wie der Künstler mit seinen Farben auf unterschiedlichen Geweben arbeitet, wie die Gewebe mit Farben getränkt werden, die sich mischen, aber bei einem Grundton bleiben, wie eine Bildtiefe erzeugt wird – und wie das Licht aus der Tiefe hervordrängt und sie verschließt.

Dieser Gruppe hängt ein Bild gegenüber, das ganz anders ist und zu den ausgearbeitesten der Ausstellung gerechnet werden muss: Es hat aber einen ähnlichen Titel: Statt “Mal so, mal so” lautet er: “Alles ist auch anders möglich”. Auch hier müssen wir erst das Bild auf uns wirken lassen: Dabei stellen wir fest, dass die Bildfläche sich auflöst in zahlreiche Einzelformen, die kräftig genug sind, sich gegen das Versinken und Auflösen in einen formfreien Tiefenbereich zur Wehr zu setzen. Stattdessen sehen wir auf konturierten Stücken herausgearbeitete Formen, die auch die Struktur des Materials, das als Bildfläche dient, sichtbar macht. Der Künstler hatte unterschiedliche Materialien wie Krepp-Papier, Glasscherben oder Pflanzenblätter auf die Bildfläche gelegt, Farben darauf gegeben und diese in den Bildgrund eindringen lassen. Danach das Fremd-Material wieder entfernt und auf diese Weise die Mischungen erzielt, die wir jetzt sehen. Was sich in diesem Bild ergeben hat, wie die konturierten kleinen Inseln Formen, erinnert mich an Teilstücke altchinesischer Landschaften mit vielen Bergpassagen. So ausgeprägt tauchen ähnliche Motive in keinem anderen Bild wieder auf.

Es gibt noch ein zweites Bild, das mit einem Edelstein-Motiv versehen aus der Menge des Ausstellungsgutes herausgehoben wird – das ist Nr. 221 - und hängt im kleinen Warteraum nebenan. Es ist auch fünfteilig und ähnlich aufgebaut wie das Opal-Bild, nur ist der Kontrast zwischen hell und dunkel, zwischen Gelb-Rot und Blau-Rot intensiver. Der Titelhinweis auf “Sphalerit” begründet den heftigen Kontrast: Sphalerit ist ein Mineral, das sich in kubischen Formen kristallisiert, und das ursprünglich durchsichtig wie Glas sein kann, aber durch Fremdeinwirkung Farbe angenommen hat, vornehmlich ein kräftiges Gelb mit Braun. Genau dieser Ton dominiert die mittleren Teile der Komposition, die anderen Teile sind milder in der Verarbeitung des Gelb.

Zu den Charakteristika der Bilder von Jörn Kadow zählen also die Bildtitel: Sie betonen, wie eben gezeigt, dass der Künstler sich zwar festlegt, aber den Betrachtenden auch eine freie Deutung überlässt. Ein Grund ist wohl, dass der Künstler zu Beginn der einzelnen Arbeit noch nicht wissen kann, was die ersten Farbmischungen und Pinselsetzungen ergeben werden. Aber es gibt eine Grundidee im Werk von Jörn Kadow, die auch aus den Titel-Versionen erschlossen werden kann: Das ist die klassische Heiterkeit, auf die Jörn Kadow zu arbeitet. Dann sind die Bilder Nr. 240 und 277 der Unterhaltung verpflichtet und nicht irgendeinem Kriegsgeschehen. Das erste -Nr. 240 – heißt “volltönende Momente” und könnte ein Versuch sein, laute Musik in ein Bild zu übertragen. Und das andere Bild hat den Titel “pyrotechnisches Spektakel”, meint ein friedliches Feuerwerk, und passt damit auch in den Reigen der Heiterkeit.

Man kann also die Titel durchaus bei der Betrachtung berücksichtigen; sie werden nicht konkret, aber sie erlauben eigene Gedanken und legen nur eine Schiene – die der Heiterkeit.

Aber es gibt auch die Gegenposition, wiederum zunächst in einem Fünfteiler mit dem Titel: ”Mal so, mal so: Tummelplatz: Gedankenängste/ Wahngelächter”: Die fünf Teile umspielen alle blaufarbigen Flächen, nur zwei Mittelteile haben auch kräftig kontrastierende gelbe und orangefarbene Farbsetzungen in der blauen Fläche, in denen sich das Atmosphärische abspielt, das der Titel verheißt: Gedankenängste, Wahngelächter. Das ist ein scharfer irrationaler Gegensatz zur Heiterkeit, auch wenn das Wort “Gelächter” verwendet wird.

Zu dieser Position eines unheilvollen Zwischenstadiums führen einige weitere Bilder, wenn man ihren Titeln folgt: da gibt es eine “No-go-area- one” oder das größere Bild “übereinander- nebeneiander – untereinander – gegeneinander” und der Fünfteiler “mal so, mal so – was kommt, das geht”. Das kann tröstlich sein, kann aber auch bedauernd verstanden werden – alles kommt, alles geht, alles ist endlich.

Dass die Werke von Jörn Kadow der informellen Malerei, der Abstraktion zuzurechnen sind, liegt auf der Hand. Er geht dabei aber nicht von einem Gegenstand aus, sondern von einem Gemütszustand, der zum einen als Heiterkeit bezeichnet werden kann – in der Kontrastposition aber auch als Angst, wenn auf nächtliches Gedankenspiel und Wahngelächter angespielt wird. In gewisser Weise sind die Bilder von Jörn Kadow damit viel konkreter in einer humanen Zwischenwelt, als die Worte “informell” und “abstrakt” vermuten lassen.

Jürgen Weichardt, Oldenburgische Landschaft

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.06.2022
zuletzt aktualisiert am:
03.07.2022

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